Sonntag, 19. August 2007

Seifenblasen.

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Die Kundin wohnt in einem schönen Zweispänner, vorgezogenes Dach, Holzbalkone, Vorgärtlein, ein Spazierweg führt am Gartentor vorbei, Sackgasse. Dahinten am Ende des Weges gibts nur noch Pferdl´n sonst nix.

Ich läute, man öffnet.

In der Tür steht eine zierliche Italienerin mit Düsseldorfer Akzent.

Wir besichtigen die Örtlichkeit. Das Töchterchen ist auch da. Laura, fünf. Ich starte meinen Job oben im Bad des Herrn. Ist auch dringend nötig. Hier hat sich seit Monaten keine staubwischende Hand an den Oberflächen vergriffen. Laura staubwischt mit mir.

Ich putze den Boden. Laura kehrt, zusammen mit mir.

In der Küche widme ich mich den Schrankoberflächen. Laura darf mit einem Radierschwamm an den Bodenfugen rumradieren. Mit ihren winzigen Händen hält sie ein winziges Schwammstückchen. Gott, sind Kinder klein.

Krankheit vieler Hausfrauen. Sie fürchten bösen Schmutz in den Fugen der Bodenkacheln. Laura hilft.

Laura: Was ist denn eine Fuge? Ich. Eine Fuge ist ein polypones Musikstück mit wechselnd selbständiger Melodieführung in Ober- und Unterstimmen...Ne. Quatsch. Eine Fuge ist der Spalt da zwischen den Kacheln. Die sagen einfach Fuge dazu. Is ihnen eben so eingefallen.

Laura beobachtet meinen Seifeneinsatz. Laura hat auch ne Seife. Seife für Seifenblasen.
Ich: Au ja, bring sie doch mal, kannst Du schon Seifen blasen?

Laura eilt. Zusammen bewundern wir zunächst den Deckel der Blasen. Der Deckel ist ein Labyrinth. Laura kriegt das Kügelchen ganz schnell ins Zentrum. Ich: Großartig.

Laura probiert die erste Blase. Dose öffnen funktioniert. Ich wische. Laura begibt sich vor´s Haus. Draussen schillern die Blasen so schön im Sonnenlicht und Mama schimpft nicht, weil was zu Boden getropft ist.

Wir üben Blasen. Da mitten durch den Ring blasen. Herrlich. Große bunte Blasen schillern durch die goldene Spätnachmittagssone und zerplatzen. Plopp. Schnell noch eine.

Hilfe, bunte Blasen für mein Stundenhonorar von.. ich enteile in die Küche zurück.
Ob ich vielleicht doch Kinderbetreuung in mein Portfolio mit aufnehmen soll?

'Wir könnten ja auch mal ein Bild malen. Wachsmalkreiden liegen hier auf Schritt und Tritt herum.

Samstag, 18. August 2007

Marmelstein, Marmelstein.

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Schön, diese modernen Häuser für moderne Familien. Viel Platz im Wohnraum und alles schön kühl.
Warum kühl? Teppiche hat man nicht mehr. Teppiche sind out. Staubfänger. Milbenhorte. Schmutznester. Weg damit. Da muss man nur husten.

Schön glatt alles jetzt. Mit Holzböden und Marmelstein.

Marmor im Entrée, Marmor die Treppe in die oberen Stockwerke, Marmor die Bäder, Marmor in der Küche, am Boden und auf Arbeitshöhe, bald finde ich sicher das erste Marmelklo.

Der Marmor glänzt, aristokratisch kühl, er ist hart wie Marmelstein und gemütlich wie die Lateranbasilika.

Geradezu klerikal, Sollnhofer Marmor, Marmor geädert, marmoriert, schwarzweiss oder grauschwarz. Marmorne Arbeitsplatten vertragen keinerlei Säureeinwirkung. Die Armaturen direkt daneben brauchen Säureputzmittel gegen den Kalk.

Da heißt es auf dem Kiwief sein. Denn schnell ist der Hahn tropfenfrei und der Marmelstein der Arbeitsplatte schäumt weiss auf. Schluss mit dem klerikalen Glanz. Da haben wir jetzt einen unauslöschlichen Säurefleck. Stumpf. Anklagend. Profan.

Du Depp hast mich ruiniert! Ruft mir der abgestumpfte Marmelstein entgegen.

Das kommt in den besten Haushalten vor. Genauer gesagt: in allen besten Haushalten. Wo auch immer ich hinkomme. Einen Marmorunfall kann jeder Haushalt vorweisen. Einen Fleck glanzlos und irreparabel. Es sei denn, man kommt mit der Schleifmaschine.

Fallen Sie nicht auf den Treppen! Marmor ist steinhart und tut irrsinnig weh. Auweh.

Lassen Sie nichts auf die Arbeitsplatte fallen. Es zerbirst in tausend Stücke. Marmor ist immer der Sieger. Gegen das feine Kristallglas. Gegen das gute Arzberg. Und auch gegen die schönen Riedel Gran Cru. Die dürfen nicht mal kippen.

Sofort Glassalat.

Na denn man los, hundertachtzig Quadratmeter Marmor warten. Auf eine sanfte Hand. Auf mich.

Italien, ick hör Dir trappsen.

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Kennen Sie das typischste Kennzeichen eines italienischen Haushaltes? Es ist...
Ja, im Fernsehen ist es der wunderbare Espressoduft. Auch bei meinen neuen Kunden bekommt der Kaffeeduft Note eins.
Die Armen. Auf Italienisch bedeutet ihr Name "Kleines Arschloch". Vielleicht sind sie deshalb nach Deutschland gezogen.

Aber zurück zur Eingangsfrage: Das wichtigste Merkmal italienischer Wohnungen und Häuser ist: die Abwesenheit von Teppichen bei gleichzeitig überbordendem Vorkommen von Marmorböden.

Italien ist ein heisses Land.

Marmor ist kühl.

In Italien sind kühle Marmorböden eine Wohltat.

Deutschland ist ein kaltes Land.

Marmor ist sch..kalt.

Wohl dem Italienfan, der da eine Fussbodenheizung hat.

Trapptrapptrapptrapp.

Marmor ist laut.

Trapptrapptrapptrapp.

Marmor hallt.

Aber des Menschen Wille...
Wie kann man sich nur in einem Marmorhaus wohlfühlen? Du legst den Arm am Tisch auf. Kreisch! Kalt. Marmor.

Dein Kind spielt am Boden. Auf glänzend glatten Marmor. Meine Güte.

Du blickst über Quadratmeter und Quadratmeter verlegten Grabgesteins. Da frierts mich in der Seele.

Aber das ist eben Lifestyle. Lifestyle sagt: Gemütlichkeit ist bäh.

Chrom.

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Chrom soll – ohne Frage – schön glänzen. Nur im vollen Glanze seiner makellos schimmernden Oberfläche ist Chrom so richtig schön.

Die Dame des Hauses wünscht eine Generalpolitur aller Chromsachen. Totalvernichtung aller Fingerabdrücke. Makelfreien Glanz.

Die Dame des Hauses ist selbst makellos. Sie wohnt in einem makellosen Rustikalhaus in einem klitzekleinen Dorf. Jedes Staubkorn in diesem Hause erhält seine Existenzberechtigung nur nach Rustikalzertifizierung. Ist es ein rustikales Staubkorn, darf es bleiben. Alle anderen kommen ins Gas – äh em aba öh in den Staubwedel.

Die Dame des Hauses- wasserstoffblonde Einmeterachtzig – öffnet. Sie hat eine geradezu erschreckende Ähnlichkeit im Exterieur mit einer großen deutschen Schauspielerin, id est, der Tochter von der Fendel,. Grüß Gott Frau von.. stopp. Falscher Film.

Es ist irgendein Nachmittag, in irgendeiner Woche. Die Dame steht im vollen Glanze ihres makellosen Make Ups, die Haare, als hätte Udo W. gerade noch seinen meisterlichen Stilkamm darin versenkt.

Um ihr makelloses Haus nicht zu beflecken, macht sie ihre PC-Arbeit draussen auf der Terrasse. Vielleicht wohnt sie dort die ganze Zeit. Der tiefe Goldton ihrer Haut legt dies nahe.
Im Haus könnte sie ein Sitzkissen zerknautschen.

Ich poliere also das Chromzeug. Das heißt, ich poliere jede einzelne Schöpfkelle oder Fleischgabel, die in der Küche an einer Stange hängt, ich poliere Puderdosen und die Köpfe von Pfeffermühlen, ich poliere den Chrombrotkasten und ein Chromregal. Die Deckel von Handkaffeemühlen. Chrombeschläge, Chromfüße, Chromsalzstreuer. Unglaublich, was die moderne Wohnkultur für Massen an Chromgegenständen hervorgebracht hat. Auch die Spargellzange ist aus Chrom.

Irgendwie fühle ich mich hier extrem unwohl. Es herrscht hier so eine „Der Mohr soll seine Schuldigkeit tun. Der Mohr soll dann ganz schnell seine suboptimale Makelhaftigkeit aus dieser ge-clearten Umgebung entfernen.

Irgendwas ist hier unter der Decke, unter dem Mäntelchen, zugegebenermaßen, dem sehr dünnen Mäntelchen oberflächlicher Freundlichkeit oberfaul. Gott sei Dank ist der Auftrag bald beendet.

Freitag, 27. Juli 2007

Der Teufelskrümel.

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Kennen Sie das? Sie arbeiten bis zur Erschöpfung, Ihre Ergebnis ist brillant, exzellent, unsagbar schön und dann -
setzt sich vorne in der Mitte oben, dort, wo alle sofort hingucken, ein Fleck - mitten ins Blickfeld. Ganz am Schluß. Nach Forträumen der Arbeitsutensilien.

Na, werden Sie sagen, was ist schon der eine kleine Fleck, wenn alles andere wunderbar schön ist ?

Der eine kleine Fleck ist die eine kleine Katastrophe. Er besetzt Reihe eins vorne Mitte und wenn der Blick des unvorbereiteten Werkabnahmeprüfers darüber gleitet, sieht er zuerst: DEN FLECK.

Es kann ein Stäubchen sein, ein dunkles Stückchen Blättchen, ein schwärzliches kleines Stückchen Erde, ein Hölzchen. Es ist jedenfalls immer etwas, das sich kontrastreich von der blitzeblanken Umgebung abhebt und in der Mitte vorne stört.

Bei geputzten Böden befindet sich diese Katastrophe immer direkt bei Schritt eins Mitte, wenn wir ein Zimmer betreten. Es macht sich fett und häßlich im Türrahmen breit und grinst uns schadenfroh an. Da siehste man! Ätsch!

Dieser Staubkrümel nämlich bekommt im Gehirn des Kunden tausend Brüder und Schwestern, deren verstecktes Vorhandensein allenthalben unter Sofas, in Ecken auf Kanten und überhaupt überall auf den geheiligten blitzeblanken Parkettböden imaginiert wird.

Ergebnis: Der Kunde hat die feste Überzeugung, die Putzfrau hat schlampig gearbeitet.

Obwohl in Wahrheit die Böden so sauber sind, dass eine Operation am offenen Herzen hier zu keiner Sepsis des Patienten führen würde. - Nur zu neuer Verdreckung der Heiligen Hallen. Blut! Blutflecken! Ich will gar nicht daran denken.

Ich muss jetzt gehen. Zweihundertzwanzig Quadratmeter Boden warten. Mit zehn Mal vorne Mitte Türrahmen.

Sonntag, 22. Juli 2007

Bei den sieben Zwergen.

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Allerliebst.

Ein verwinkeltes Hexenhäuschen. Direkt am Waldrand. Wo sind die Lebkuchen auf dem Dach?

Ich läute, ich klopfe. Die hölzerne Windfangtür öffnet sich und eine kleine feuerrothaarige Dame mit fröhlich signalroten Lippenstiftlippen tritt herfür.
Die Dame des Hauses.

Ich besichtige das zu pflegende Objekt.

Ein klitzekleiner Altbau, wie bei meiner Oma Hexenküche mit kleinen Stühlchen und kleinem Tischlein und einem kleinen Sitzbänklein.
Winziges Küchlein mit kleinen Regalchen und noch viele viele andere kleine Räumchen mit winzigen Möbelchen. Größer müssen sie auch nicht sein. Die Dame des Hauses ist höchsten so hoch wie ein Autodach.

Die Dame braucht aus Rekonvaleszenzgründen temporär Unterstützung.

Viel gibt es da nicht zu tun. Ein paarmal Durchputzen und das Objekt ist wieder auf dem neuesten Blitzeblankniveau.

Die Dame, wie ich Wassermann, ist, wie wir Wassermänner eben so sind, unkonventionell und redefreudig.

Deutschamerikanerin. War an der Akademie der Bildenden Künste beschäftigt. Da hat sie sicher gut hingepaßt. Daher auch die allenthalben gehängten weit überdurchschnittlich guten Originalgemälde und Zeichnungen in den Stilen berühmter Maler 19. und 20. Jahrhundert. (Woher ich das weiss. Ich bin, wie gesagt, studiert. Studierte Putzfrau. ) Die Studenten haben ihr wohl ihre Übungsblätter geschenkt.

Da hängt ein Lovis Corinth-artiges Bild ("Walchensee") neben einem Rupprecht Geiger. Zweiter Blick. Signatur: Rupprecht Geiger. Das IST ein Geiger! DurchdieZähnepfeiff.

Eine handaquarellierte Lithographie eines Brückenbaus in Südamerika, inklusive Brückenbauingenieuren als Staffagefiguren. Wahrscheinlich Flohmarkttrouvaille.

Die Dame: das da unten, der Ingenieur da ganz links, das ist mein Urgroß-Onkel. Der war Bauingenieur. Ich staune Bauklötze. Toll.

Samstag, 21. Juli 2007

Fröhliche Chaoten.

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Nussbraune Augen, nussbraunes Haar in sechziger Jahre Beinahe-Hochfrisur, durch und durch wadlfester urbayerischer Typ und ihren Knaben auf dem Arm. So öffnet mir die Dame des Hauses.

Ich komme auf Empfehlung. Man hat von mir im Kindergarten geschwärmt. Von mir natürlich nicht. Von dem Erleichterungseffekt, den der fleissige Besuch einer Frau für´s Grobe, sprich für hunderte Quadratmeter Böden bringt.

Ich werde dem Knaben gezeigt. Das ist die Frau G.

Der Knabe und ich betrachten uns. Ich lächle, der Junge fremdelt.

Der Gatte ist auch da. Der fremdelt auch ein bisschen. Aber durchaus freundlich. Klar, wer hier der Chef von det janze ist. Die wadlfeste Dame.

Stolz zeigt sie mir ihr Haus.

Erster Raum: Kruscht- und Bügelzimmer. Sagenhaft. Sagenhaft. Soll ich jetzt schon Messi vermuten oder noch weiter Räume abwarten.

Die Dame hat keinerlei Skrupel, alles ok so, wie es ist. Wir wandern von Raum zu Raum. Überall dasselbe Bild. Jeder Quadratzentimeter ist mit tausenden von Gegenständen belegt, überkrustet, kann man sagen.

Irgendwie fehlen Aufbewahrungsmöbel.

Stockwerk um Stockwerk dasselbe Chaos.

Das Zimmer des Gatten. Er ist Hobbybastler. Funker. Jesus Christ! Phänomenal. Sieht aus wie - wie eine Sperrmüllhalde. Alles liegt am Boden. Lauter Computer. Ihr Innenleben nach aussen gekehrt. Ein Computerfriedhof, nachdem ein Computerfressungeheuer alle Computertiere ausgeweidet und leergefressen hat. Die sterblichen Überreste gammeln hier.

Hauptsache, der Gatte ist fröhlich. Isser auch. Gaht doch nichts über ein interessantes Hobby.

In einem Punkt ist sich die Familie einig. Kruscht und Krempel sind o.k.

Der Knabe, Einzelkind, vielleicht vier, durchaus lieb, große lyrische Kinderaugen, sanfter Charakter, ist gewohnt, ununterbrochen beachtet zu werden. Er sondert Dauerappelle ab. Die Mama ist völlig immun dagegen. Ich würde dem Kinde ja... Deshalb habe ich auch keine. Ich würde sie erschlagen.

Die Küche. Sagenhaft. Da hat eine Studentenparty mit 50 Leuten stattgefunden. Nein. Nicht. Aber so sieht es aus.

Hauptsache, die Böden sind frei.

Komischerweise ist der Raum des Knaben ordentlich und sauber, genau andersherum, wie ich es kenne.

In der Badewanne, ist unter den Kruschtsachen an wenigen Stellen die Wanne selbst erkennbar. Dort hat sich der Staub dunkelgrau gesammelt.

Wenn hier jemand eine Putzfrau braucht, dann ist es diese Familie.

Die Dame des Hauses stimmt jede Behauptung, jeden Wunsch sofort mit ihrem Gatten ab und läßt ihm das letzte Wort. Sehr klug. Die Beziehung funktioniert.

Abwesenheit tiefer Probleme ist eine Grundvoraussetzung für mein Bleiben.Ich kann für unglückliche Menschen nicht arbeiten. Das schnürt mir die Luft ab. Wortwörtlich. Ich bin Asthmatikerin.

Man überläßt mir straks den Hausschlüssel. Damit ich auch ja wiederkomme.

Mach ich. Ab nächsten Freitag feudle ich für diese - liebenswerten - Chaoten.

Freitag, 20. Juli 2007

Persönlichkeit.

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Die Mama. Sagt die Kundin. Die Mama freut sich ´n Loch in Bauch, wenn ich sie auch besuchen könnte. Man braucht dringend professionelle Unterstützung für die Maisonette-Wohnung der Großeltern von Jonas (3) und Fiona (0,8).

O.K.

Antrittsbesuch in einem Gewerbegebiet. Hmm? Privatwohnung? Firmenhangar reiht sich an Firmenhangar, ich befinde mich jetzt schon wenige Meter vor der Auffahrt des Autobahn-Zubringers. Hier wohnt doch niemand mehr..?

Ach, doch, tatsächlich, am Ende der Flanke einer Werkstatthalle kommt noch ein Privathaus.

Wie in einem Ei versteckt sich hier ein kleines Idyll mit prachtvoll gepflegtem Garten und zwei Mietparteien.

Die Dame des Hauses weist mich ein. Man hat das Berufsleben hinter sich. Pensionäre. Hierhergezogen, um den Enkeln nahe sein zu können. Oma und Opa betagesmuttern die Kleinen, während die Mama und Papa Geld verdienen gehen.

Ganz kurz nur sehe ich den Herrn des Hauses. Ein Hühne von einem Mann, weisshaarig, knapp zwei Meter groß.

Wir wechseln nur die Mindestanzahl von Worten, die die Höflichkeit gebietet.

Beim dritten oder vierten Besuch ist die Dame des Hauses nicht anwesend, ich bin kurz allein mit dem Mann und seinem Enkel.

Wenige Sätze sind es wieder nur.

Trotzdem fühle ich schnell, welches Universum mir da gegenübersteht.

Der Mann - offensichtlich immer noch äußerst hell im Kopf - hat das Format, das man sich in seinen kühnsten Träumen kaum mehr zu wünschen wagt, da alles doch in Enttäuschung über die Kurzsichtigkeit infantiler Egodumpfbackigkeit endet.

Der Mann ist ein Gentleman mit Stammbaum. Manieren, Höflichkeit, Respekt vor der Individualität des Gegenüber sind Teil seiner Webstruktur. Gott, ist das angenehm.

Die vielen Erinnerungen und Ehrungen, die über die Wände der Maisonette verteilt sind, zeigen, dass er wohl Physiker war, fachlich hoch angesehen.

Menschlich scheint da auch nichts zu mangeln.

Der Göttergatte.

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Die Dame des Hauses sucht verzweifelt eine Zugehfrau. Ihre Perle, mit der sie hochzufrieden ist, wird sie verlassen. Schon bald. Frau Schäufele möchte in ihre allgäuerische Heimat Allgäu zurück.
Und jetzt steht sie da, die Dame.

Am Telefon wirkt sich fröhlich. Sie möchte mich besichtigen. Sie ist der Typ Vorbesprecherin.

Ich reise an. Ein verträumtes Landhaus in einem zauberhaften kleinen Dorf, in dem sich die Füchse und Hasen "Gute Nacht!" sagen.

Wir besichtigen Raum um Raum. Ein Haus, das auf den Empfang von Gästen eingestellt ist.

Das Esszimmer erwartet eine Gesellschaft von zehn Personen.

Besorgt betrachte ich den Sauberkeitszustand aller Gegenstände. Die glänzenden Chrom- und Metalloberflächen zeigen nicht einmal die Ablagerung von fünf Staubkörnern.

Die Glattglaswand der Dusche ist hundertprozent tropfenfrei. Das heißt, die Dame des Hauses unterzieht sich direkt nach dem Duschen der schweißtreibenden Arbeit des Tropfencancellings. Dann ist die Dusche makellos und sie selbst reif für eine Dusche.

Es gibt in diesem Hause keine Zufälligkeiten. Das heißt, es gibt keine nur mal kurz abgelegten Gegenstände.

Das Büro des Gatten gleicht in seiner untadeligen Perfektion dem Büro von Klaus Barbie, mit auf Kante gelegten Papierstößen, alles korrektest rechtwinkelig ausgerichtet.

Die beiden BMWs vor dem Haus sind porentief rein. Kein Staubkorn wagt es, sich auf der hochglänzenden Metalliclackierung niederzulassen.

Die Dame des Hauses ermahnt mich immer wieder, mir die Lage der Gegenstände genau einzuprägen und nichts zu verschieben. Nichts zu verschieben bedeutet in diesem Falle nicht, Gegenstände zu vertauschen.

Nein, nein, Verschieben heißt, um 0,5 -0,8 cm verschoben stehen zu lassen. Ich werde in den Abstand Marcel Breuer Schwinger von der Tischkante im Eßzimmer eingewiesen. Ich merke mir die Stelle anhand des Musters im Teppichboden.

Immer wieder muss ich an den englischen Starfußballspieler denken, dessen Ordnungsneurose Thema der Yellow Press ist.

Mein Mann mag es nicht, wenn....beginnt die fröhliche Dame des Hauses jeden Satz, der mit der Unverrückbarkeit von Gegenständen beginnt. Mein Mann mag es nicht...

Häufig ist die Kehrseite von beruflich errzwungener Höchstleistung eine Zwangsperfektion im privaten Umfeld.

Im Schlafzimmer ein handgesteckter (Wackel-)kontakt im Kabel der Nachttischlampe.

Mich irritiert, dass bei all der gewünschten Perfektion der Kontakt nicht perfekt repariert wird.

"Mein Mann ärgert sich immer, wenn die Putzfrau den Kontakt beim Wischen wieder gelöst hat." Warum kümmert sich der Mann nicht um die Beseitigung des Ärgernisses, warum ärgert er sich Woche für Woche fort und fort? Ich fürchte, er ärgert sich, weil es ihm Spass macht, eine Nichtperfektion zu entdecken und zu beschimpfen.

Da stimmt was nicht.

Der Körperausdruck der Frau zeigt einen "eingezogenen Schwanz", will heißen, sie zieht ihr Gesäß ein, ein Zeichen von Problemen in der erotischen Kraft. Die Speisekammer voller Diätprogramm-Spezialnahrungsmittel. Hier hungert sich jemand runter, um den Wettlauf um die Perfektion der Wohnung nicht zu verlieren.

Ich werde hier Urlaubsvertretung machen - die Frau Schäufele wird, laut Anruf von gestern, nun doch nicht ins Allgäu ziehen, nimmt aber meinen Sondereinsatz als Gelegenheit für ihren Jahresurlaub.

Donnerstag, 19. Juli 2007

Savoir vivre.

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Fischlein.

Vorbesichtigung des Anwesens. In einer Seitenstrasse eines Dorfes mit Schnellstrassendurchgangspiste im Zentrum.

Hier aber - scheinen ganz plötzlich die Uhren von einem Meter auf den anderen langsamer zu ticken.

Gegenüber ein herrliches altes Baueranwesen, riesig, nicht mehr bewirtschaftet, aber sehr stimmungsvoll. Geschützt von im Winde leise rauschenden Pappeln.

Mein Zielobjekt ist aus Holz. Ein Holzhaus, sehr adrett. Der Garten hingegen - hm. Ein wenig zwanghaft ordentlich.

Sympathisch allerdings die Spuren der letzten Stunden. Zeugl liegt herum, ganz unzwanghaft, Gartenschlauch, Kleinkram auf der Terrasse.

Als ich die Woche drauf meinen Dienst bei der Familie beginne, ist es eine Augenblicksentscheidung. Meine innere Stimme echot ein lautes und deutliches Ja!

Hier lebt man. Die Dame des Hauses jünger als ich, exzellente Manieren. Höflichkeit, die nicht antrainiert ist, sondern als Herzensbildung spontan von innen kommt.

Ich mag sie sofort. Die Frau, den fröhlichen Mann, auffällig sogleich sein hoher IQ. Später werde ich erfahren, dass er Physiker ist. Der Sohn, ein junger Mann, natürlich, sorgenfrei, spontan, studiert ebenfalls Physik.

Hier nimmt man alles cum grano salis.

Die Männer reden schnell und viel, ihre Gedanken flitzen wie kleine Rennautos.

Die Dame des Hauses und ich betrachten die Fischlein im Aquarium. Im Bad oben noch mehr Fischlein. Auch diese betrachten wir. Zwei Aquarien waren nötig, da nicht jeder Fisch jedes Fisches Freund ist. Man hat zwei Schwärme bilden müssen.

Der rote Kater kommt. Das Tier ist völlig angstfrei. Es hat die Ruhe eines Elefanten. Sehr sehr gutes Zeichen.

Hier ist meines Bleibens wohl länger.

Ich hoffe es sogar.

Grab.

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Durst heisst die Dame des Hauses. (Name v. d. Red. geän.) Ich komme auf Empfehlung ihrer sehr netten Freundin.

Gute Putzfrauen werden weitergereicht wie Geheimadressen guter Friseure oder Rechtsanwälte.

Mein Antrittsbesuch findet in strömendem Regen statt.

Guten Tag, guten Tag! Die Dame ist hochschwanger, direkt vor der Niederkunft. Ich werde als Sondereinsatzkommando benötigt.

Wo sind die Klaviere?

Man zeigt mir Räumlichkeiten und Putzschrank. Los geht´s.

Ich durchkämme die Räume. Eigenartig. Eigenartig. Dieser Geruch. Es riecht nach... nach....
ob das der Hund...?

Nein. Es ist nicht der Hund.

Kennen Sie den Geruch von Angstschweiss? Er kann Ihnen augenblicklich den Magen umdrehen.

Die Menschen, die dieses Haus bewohnen, sind unglücklich.

In den Ecken hockt irgend etwas Altes, Verstaubt-säuerlich Schlechtgelauntes. Eine Last, die die letzte Generation hier zurückgelassen hat.

Die Zimmer sind so dunkel, dass ich überlege, das nächste Mal einen Bauscheinwerfer mitzubringen. Die Gänge gerade so eng, dass man sich beengt fühlt. Alles ist zu klein.

Das Wohnzimmer nicht. Es ist durchaus spazioso. Aber - hier erlebt die depressive Atmosphäre ihren Höhepunkt. Das Zimmer ist so stockdunkel, dass ich über die Benutzung eines weissen Stocks nachdenke.

Draussen vor den Fenstern eine grüne Hölle Typ Friedhof. Kennen Sie dieses grüne Dämmerlicht unter Gräbern, wenn sie einen blätterüberdachten Friedhof mit altem Baumbestand besuchen?

Dieses grüne Dämmerlicht gleitet hinterhältig und schwächlich durch Querformatfenster ohne Stege.
Wer hier länger als fünfzehn Minuten sitzt, wird von einer Megadepression gewürgt. Die Dame wohnt hier seit Jahren.

Als sie mir die Summe baren Geldes für meine Dienste in die Hand drückt - verschämt, als wäre es ein Liebeslohn, begleitet sie ihre Schlussworte mit harscher Kritik - am gestreckten Zeigefinger: und da ist nicht sauber, - der Finger sticht in eine andere Ecke : und da ist nicht sauber.

In der Sache richtig. Aber - ja, genau, die studierte Putzfrau als solche kann diesen Ton nicht akzeptieren.

Ich versuche, sie noch einmal zu besuchen. Nächsten Montag. Sie braucht ja dringend Unterstützung und ich helfe gern.

Mein Körper legt ein Veto ein. Je näher der Termin rückt 13h 14h 14:30h, desto stärker werden meine Atembeschwerden, ich ringe nach Luft. Schweisausbruch.

Es geht nicht.

Ich greife zum Hörer und sage ab. Die Caritas wird eine Haushaltshilfe schicken.

Zwangsneurose.

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Die Dame des Hauses ist eine vielbeschäftigte Vertriebsbeauftragte für ein Software-Produkt im Bankenbereich. Die Sollzahlen für das laufende Geschäftsjahr sind utopisch. Unter diesem Druck arbeitet sie, fleissig wie eine Ameise.

Da kann sie nicht auch noch ihr Haus dauernd polieren. Ein Haus für viele Gäste. Dieses schöne Haus für viele Gäste, die mit strengen Augen die Perfektion der Hausfrau begutachten, (Hier noch ein Stäubchen, dort ein Krümel..?) hat in Entrée und Wohnzimmer einen grünen Fliesenboden.

Den putze ich.

Blitzeblank und porentief - meine ich.

Die Dame meint das nicht.

Sie kommt nach Hause und schlägt die Hände über dem Kopfe zusammen. Furchtbar, das sei ja noch alles furchtbar schmutzig.

Ich bestürzt: dann mache ich es nochmal.

Vor ihren Augen setze ich das Fliesengrün erneut unter Wasser und Putzmittel und schrubbe lächerliche 60 qm.

Sie trocknen.

Ich rufe die Herrin des Hauses.

Wie es jetzt sei?

Viel viel schöner.

Gott sei Dank!

Ich mime tiefe Erleichterung.

Unter uns Pfarrerstöchtern: Der Boden war aufs Jota ganz genauso wie nach dem ersten Durchgang. Optisch: null Veränderung.

Wir spielen das Spiel jede Woche.

Ich: ist der Boden sauber?

Sie: Nein, nein, das ist ja furchtbar, alles schmutzig.

Ich: gespielte Verzweiflung: dann mache ich es nochmal. Eifriges Wienern.

ich hoffnungsvoll: ....und jetzt??

Sie, tief erleichtert: Ja , jetzt, jetzt ist es viel viel schöner.

Ich - großes Aufatmen - ihren Anspruch erfüllt zu haben: Gott sei Dank!

Wir haben diese kleine Vorstellung einige Wochen lang wiederholt, bis sie merkte, dass ich weiss, was eine Zwangsneurose ist. So doof ist das eben mit studierten Putzfrauen.

Dann beendete sie den Auftrag. Wie ich finde, ein wenig überstürzt. Ich hatte mir gerade Varianten für meine Rolle überlegt.

Alles mögliche.

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Alles mögliche wäre meinerseits zur Hebung des Deutschen Bruttosozialproduktes anzubieten.

Advertising und Sales Promotion im Direktvertrieb. Produktionsmanagement von Werbematerial, ja sogar Werbefilme habe ich mal produziert. Im Auftrag meiner Firma und in Zusammenarbeit mit teuren Profis.

Informationstechnologie. Hab ich auch mal kapiert. So sehr, dass ich als Ghostwriter gearbeitet habe. Sogar die Frankfurter Allgemeine Zeitung hat meine Prognose zur Zukunft der VoiceoverIP Technologie abgedruckt.

Meinen Sermon hatte ich in den Mund irgendeines Firmengurus gelegt.

Weise Worte zur Entwicklung einer Technologie, scheinbar aus der Kristallkugel eines Insiders. In Wirklichkeit aus den Rechercheergebnissen einer kleinen PR-Ghostwriterin.

Pressereferentin war ich auch mal. Coverage erzeugen für meine Firma. Ich hatte es in einem Jahr von Nullecho auf eine Million Clippings Resonanz gebracht.
Bis der Firma von ihrem Mutterkonzern der Geldhahn abgedreht wurde. Und wir auf die Straße geschickt wurden.

Bilder malen kann ich auch. Bildnerische Hochbegabung. Sehr ansehnlich. Technisch nicht unanspruchsvoll. Nun - Wer braucht schon Bilder?

Geschrieben habe ich immer. Woher soll ich wissen was ich denke, bevor ich höre was ich rede? Beziehungsweise lese was ich schreibe..? Seit Jahren produziere ich eine periodische Internetpublikation. Mittlerweile nicht mehr unbeachtet, aber - kommerziell? Kommerziell nutzbar? Äh, em , aba, öh - nö. Nur schön. Nur schön war schon immer mein Fluch und Motto.

Schön soll es sein.

Auch meine Umgebung. Schön soll sie sein. Harmonisch. Gelungene Arrangements. Angenehm. Schöne Zimmer, schöne Möbel.

Antiquitäten am besten.

Da diese Nation meine intellektuellen Fähigkeiten leider nicht mehr benötigt, biete ich, was sich verkauft. Muskel- und Reinigungskraft.

Jawoll.

Ich besuche Häuser und Mansiones wohlhabender Leute und sorge dafür, dass ihr schöner Besitz blitzeblank und porentief rein bleibt.

Ich bin Putzfrau. Vollzeit-Putzfrau.

Was man da erlebt....

Mehr dazu demnächst in diesem Theater.

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