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Fischlein.
Vorbesichtigung des Anwesens. In einer Seitenstrasse eines Dorfes mit Schnellstrassendurchgangspiste im Zentrum.
Hier aber - scheinen ganz plötzlich die Uhren von einem Meter auf den anderen langsamer zu ticken.
Gegenüber ein herrliches altes Baueranwesen, riesig, nicht mehr bewirtschaftet, aber sehr stimmungsvoll. Geschützt von im Winde leise rauschenden Pappeln.
Mein Zielobjekt ist aus Holz. Ein Holzhaus, sehr adrett. Der Garten hingegen - hm. Ein wenig zwanghaft ordentlich.
Sympathisch allerdings die Spuren der letzten Stunden. Zeugl liegt herum, ganz unzwanghaft, Gartenschlauch, Kleinkram auf der Terrasse.
Als ich die Woche drauf meinen Dienst bei der Familie beginne, ist es eine Augenblicksentscheidung. Meine innere Stimme echot ein lautes und deutliches Ja!
Hier lebt man. Die Dame des Hauses jünger als ich, exzellente Manieren. Höflichkeit, die nicht antrainiert ist, sondern als Herzensbildung spontan von innen kommt.
Ich mag sie sofort. Die Frau, den fröhlichen Mann, auffällig sogleich sein hoher IQ. Später werde ich erfahren, dass er Physiker ist. Der Sohn, ein junger Mann, natürlich, sorgenfrei, spontan, studiert ebenfalls Physik.
Hier nimmt man alles cum grano salis.
Die Männer reden schnell und viel, ihre Gedanken flitzen wie kleine Rennautos.
Die Dame des Hauses und ich betrachten die Fischlein im Aquarium. Im Bad oben noch mehr Fischlein. Auch diese betrachten wir. Zwei Aquarien waren nötig, da nicht jeder Fisch jedes Fisches Freund ist. Man hat zwei Schwärme bilden müssen.
Der rote Kater kommt. Das Tier ist völlig angstfrei. Es hat die Ruhe eines Elefanten. Sehr sehr gutes Zeichen.
Hier ist meines Bleibens wohl länger.
Ich hoffe es sogar.
ausdemlebeneinerputzfrau - 19. Jul, 08:35
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Durst heisst die Dame des Hauses. (Name v. d. Red. geän.) Ich komme auf Empfehlung ihrer sehr netten Freundin.
Gute Putzfrauen werden weitergereicht wie Geheimadressen guter Friseure oder Rechtsanwälte.
Mein Antrittsbesuch findet in strömendem Regen statt.
Guten Tag, guten Tag! Die Dame ist hochschwanger, direkt vor der Niederkunft. Ich werde als Sondereinsatzkommando benötigt.
Wo sind die Klaviere?
Man zeigt mir Räumlichkeiten und Putzschrank. Los geht´s.
Ich durchkämme die Räume. Eigenartig. Eigenartig. Dieser Geruch. Es riecht nach... nach....
ob das der Hund...?
Nein. Es ist nicht der Hund.
Kennen Sie den Geruch von Angstschweiss? Er kann Ihnen augenblicklich den Magen umdrehen.
Die Menschen, die dieses Haus bewohnen, sind unglücklich.
In den Ecken hockt irgend etwas Altes, Verstaubt-säuerlich Schlechtgelauntes. Eine Last, die die letzte Generation hier zurückgelassen hat.
Die Zimmer sind so dunkel, dass ich überlege, das nächste Mal einen Bauscheinwerfer mitzubringen. Die Gänge gerade so eng, dass man sich beengt fühlt. Alles ist zu klein.
Das Wohnzimmer nicht. Es ist durchaus spazioso. Aber - hier erlebt die depressive Atmosphäre ihren Höhepunkt. Das Zimmer ist so stockdunkel, dass ich über die Benutzung eines weissen Stocks nachdenke.
Draussen vor den Fenstern eine grüne Hölle Typ Friedhof. Kennen Sie dieses grüne Dämmerlicht unter Gräbern, wenn sie einen blätterüberdachten Friedhof mit altem Baumbestand besuchen?
Dieses grüne Dämmerlicht gleitet hinterhältig und schwächlich durch Querformatfenster ohne Stege.
Wer hier länger als fünfzehn Minuten sitzt, wird von einer Megadepression gewürgt. Die Dame wohnt hier seit Jahren.
Als sie mir die Summe baren Geldes für meine Dienste in die Hand drückt - verschämt, als wäre es ein Liebeslohn, begleitet sie ihre Schlussworte mit harscher Kritik - am gestreckten Zeigefinger: und da ist nicht sauber, - der Finger sticht in eine andere Ecke : und da ist nicht sauber.
In der Sache richtig. Aber - ja, genau, die studierte Putzfrau als solche kann diesen Ton nicht akzeptieren.
Ich versuche, sie noch einmal zu besuchen. Nächsten Montag. Sie braucht ja dringend Unterstützung und ich helfe gern.
Mein Körper legt ein Veto ein. Je näher der Termin rückt 13h 14h 14:30h, desto stärker werden meine Atembeschwerden, ich ringe nach Luft. Schweisausbruch.
Es geht nicht.
Ich greife zum Hörer und sage ab. Die Caritas wird eine Haushaltshilfe schicken.
ausdemlebeneinerputzfrau - 19. Jul, 08:16
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Die Dame des Hauses ist eine vielbeschäftigte Vertriebsbeauftragte für ein Software-Produkt im Bankenbereich. Die Sollzahlen für das laufende Geschäftsjahr sind utopisch. Unter diesem Druck arbeitet sie, fleissig wie eine Ameise.
Da kann sie nicht auch noch ihr Haus dauernd polieren. Ein Haus für viele Gäste. Dieses schöne Haus für viele Gäste, die mit strengen Augen die Perfektion der Hausfrau begutachten, (Hier noch ein Stäubchen, dort ein Krümel..?) hat in Entrée und Wohnzimmer einen grünen Fliesenboden.
Den putze ich.
Blitzeblank und porentief - meine ich.
Die Dame meint das nicht.
Sie kommt nach Hause und schlägt die Hände über dem Kopfe zusammen. Furchtbar, das sei ja noch alles furchtbar schmutzig.
Ich bestürzt: dann mache ich es nochmal.
Vor ihren Augen setze ich das Fliesengrün erneut unter Wasser und Putzmittel und schrubbe lächerliche 60 qm.
Sie trocknen.
Ich rufe die Herrin des Hauses.
Wie es jetzt sei?
Viel viel schöner.
Gott sei Dank!
Ich mime tiefe Erleichterung.
Unter uns Pfarrerstöchtern: Der Boden war aufs Jota ganz genauso wie nach dem ersten Durchgang. Optisch: null Veränderung.
Wir spielen das Spiel jede Woche.
Ich: ist der Boden sauber?
Sie: Nein, nein, das ist ja furchtbar, alles schmutzig.
Ich: gespielte Verzweiflung: dann mache ich es nochmal. Eifriges Wienern.
ich hoffnungsvoll: ....und jetzt??
Sie, tief erleichtert: Ja , jetzt, jetzt ist es viel viel schöner.
Ich - großes Aufatmen - ihren Anspruch erfüllt zu haben: Gott sei Dank!
Wir haben diese kleine Vorstellung einige Wochen lang wiederholt, bis sie merkte, dass ich weiss, was eine Zwangsneurose ist. So doof ist das eben mit studierten Putzfrauen.
Dann beendete sie den Auftrag. Wie ich finde, ein wenig überstürzt. Ich hatte mir gerade Varianten für meine Rolle überlegt.
ausdemlebeneinerputzfrau - 19. Jul, 07:58
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Alles mögliche wäre meinerseits zur Hebung des Deutschen Bruttosozialproduktes anzubieten.
Advertising und Sales Promotion im Direktvertrieb. Produktionsmanagement von Werbematerial, ja sogar Werbefilme habe ich mal produziert. Im Auftrag meiner Firma und in Zusammenarbeit mit teuren Profis.
Informationstechnologie. Hab ich auch mal kapiert. So sehr, dass ich als Ghostwriter gearbeitet habe. Sogar die Frankfurter Allgemeine Zeitung hat meine Prognose zur Zukunft der VoiceoverIP Technologie abgedruckt.
Meinen Sermon hatte ich in den Mund irgendeines Firmengurus gelegt.
Weise Worte zur Entwicklung einer Technologie, scheinbar aus der Kristallkugel eines Insiders. In Wirklichkeit aus den Rechercheergebnissen einer kleinen PR-Ghostwriterin.
Pressereferentin war ich auch mal. Coverage erzeugen für meine Firma. Ich hatte es in einem Jahr von Nullecho auf eine Million Clippings Resonanz gebracht.
Bis der Firma von ihrem Mutterkonzern der Geldhahn abgedreht wurde. Und wir auf die Straße geschickt wurden.
Bilder malen kann ich auch. Bildnerische Hochbegabung. Sehr ansehnlich. Technisch nicht unanspruchsvoll. Nun - Wer braucht schon Bilder?
Geschrieben habe ich immer. Woher soll ich wissen was ich denke, bevor ich höre was ich rede? Beziehungsweise lese was ich schreibe..? Seit Jahren produziere ich eine periodische Internetpublikation. Mittlerweile nicht mehr unbeachtet, aber - kommerziell? Kommerziell nutzbar? Äh, em , aba, öh - nö. Nur schön. Nur schön war schon immer mein Fluch und Motto.
Schön soll es sein.
Auch meine Umgebung. Schön soll sie sein. Harmonisch. Gelungene Arrangements. Angenehm. Schöne Zimmer, schöne Möbel.
Antiquitäten am besten.
Da diese Nation meine intellektuellen Fähigkeiten leider nicht mehr benötigt, biete ich, was sich verkauft. Muskel- und Reinigungskraft.
Jawoll.
Ich besuche Häuser und Mansiones wohlhabender Leute und sorge dafür, dass ihr schöner Besitz blitzeblank und porentief rein bleibt.
Ich bin Putzfrau. Vollzeit-Putzfrau.
Was man da erlebt....
Mehr dazu demnächst in diesem Theater.
ausdemlebeneinerputzfrau - 19. Jul, 07:27