Freitag, 20. Juli 2007

Persönlichkeit.

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Die Mama. Sagt die Kundin. Die Mama freut sich ´n Loch in Bauch, wenn ich sie auch besuchen könnte. Man braucht dringend professionelle Unterstützung für die Maisonette-Wohnung der Großeltern von Jonas (3) und Fiona (0,8).

O.K.

Antrittsbesuch in einem Gewerbegebiet. Hmm? Privatwohnung? Firmenhangar reiht sich an Firmenhangar, ich befinde mich jetzt schon wenige Meter vor der Auffahrt des Autobahn-Zubringers. Hier wohnt doch niemand mehr..?

Ach, doch, tatsächlich, am Ende der Flanke einer Werkstatthalle kommt noch ein Privathaus.

Wie in einem Ei versteckt sich hier ein kleines Idyll mit prachtvoll gepflegtem Garten und zwei Mietparteien.

Die Dame des Hauses weist mich ein. Man hat das Berufsleben hinter sich. Pensionäre. Hierhergezogen, um den Enkeln nahe sein zu können. Oma und Opa betagesmuttern die Kleinen, während die Mama und Papa Geld verdienen gehen.

Ganz kurz nur sehe ich den Herrn des Hauses. Ein Hühne von einem Mann, weisshaarig, knapp zwei Meter groß.

Wir wechseln nur die Mindestanzahl von Worten, die die Höflichkeit gebietet.

Beim dritten oder vierten Besuch ist die Dame des Hauses nicht anwesend, ich bin kurz allein mit dem Mann und seinem Enkel.

Wenige Sätze sind es wieder nur.

Trotzdem fühle ich schnell, welches Universum mir da gegenübersteht.

Der Mann - offensichtlich immer noch äußerst hell im Kopf - hat das Format, das man sich in seinen kühnsten Träumen kaum mehr zu wünschen wagt, da alles doch in Enttäuschung über die Kurzsichtigkeit infantiler Egodumpfbackigkeit endet.

Der Mann ist ein Gentleman mit Stammbaum. Manieren, Höflichkeit, Respekt vor der Individualität des Gegenüber sind Teil seiner Webstruktur. Gott, ist das angenehm.

Die vielen Erinnerungen und Ehrungen, die über die Wände der Maisonette verteilt sind, zeigen, dass er wohl Physiker war, fachlich hoch angesehen.

Menschlich scheint da auch nichts zu mangeln.

Der Göttergatte.

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Die Dame des Hauses sucht verzweifelt eine Zugehfrau. Ihre Perle, mit der sie hochzufrieden ist, wird sie verlassen. Schon bald. Frau Schäufele möchte in ihre allgäuerische Heimat Allgäu zurück.
Und jetzt steht sie da, die Dame.

Am Telefon wirkt sich fröhlich. Sie möchte mich besichtigen. Sie ist der Typ Vorbesprecherin.

Ich reise an. Ein verträumtes Landhaus in einem zauberhaften kleinen Dorf, in dem sich die Füchse und Hasen "Gute Nacht!" sagen.

Wir besichtigen Raum um Raum. Ein Haus, das auf den Empfang von Gästen eingestellt ist.

Das Esszimmer erwartet eine Gesellschaft von zehn Personen.

Besorgt betrachte ich den Sauberkeitszustand aller Gegenstände. Die glänzenden Chrom- und Metalloberflächen zeigen nicht einmal die Ablagerung von fünf Staubkörnern.

Die Glattglaswand der Dusche ist hundertprozent tropfenfrei. Das heißt, die Dame des Hauses unterzieht sich direkt nach dem Duschen der schweißtreibenden Arbeit des Tropfencancellings. Dann ist die Dusche makellos und sie selbst reif für eine Dusche.

Es gibt in diesem Hause keine Zufälligkeiten. Das heißt, es gibt keine nur mal kurz abgelegten Gegenstände.

Das Büro des Gatten gleicht in seiner untadeligen Perfektion dem Büro von Klaus Barbie, mit auf Kante gelegten Papierstößen, alles korrektest rechtwinkelig ausgerichtet.

Die beiden BMWs vor dem Haus sind porentief rein. Kein Staubkorn wagt es, sich auf der hochglänzenden Metalliclackierung niederzulassen.

Die Dame des Hauses ermahnt mich immer wieder, mir die Lage der Gegenstände genau einzuprägen und nichts zu verschieben. Nichts zu verschieben bedeutet in diesem Falle nicht, Gegenstände zu vertauschen.

Nein, nein, Verschieben heißt, um 0,5 -0,8 cm verschoben stehen zu lassen. Ich werde in den Abstand Marcel Breuer Schwinger von der Tischkante im Eßzimmer eingewiesen. Ich merke mir die Stelle anhand des Musters im Teppichboden.

Immer wieder muss ich an den englischen Starfußballspieler denken, dessen Ordnungsneurose Thema der Yellow Press ist.

Mein Mann mag es nicht, wenn....beginnt die fröhliche Dame des Hauses jeden Satz, der mit der Unverrückbarkeit von Gegenständen beginnt. Mein Mann mag es nicht...

Häufig ist die Kehrseite von beruflich errzwungener Höchstleistung eine Zwangsperfektion im privaten Umfeld.

Im Schlafzimmer ein handgesteckter (Wackel-)kontakt im Kabel der Nachttischlampe.

Mich irritiert, dass bei all der gewünschten Perfektion der Kontakt nicht perfekt repariert wird.

"Mein Mann ärgert sich immer, wenn die Putzfrau den Kontakt beim Wischen wieder gelöst hat." Warum kümmert sich der Mann nicht um die Beseitigung des Ärgernisses, warum ärgert er sich Woche für Woche fort und fort? Ich fürchte, er ärgert sich, weil es ihm Spass macht, eine Nichtperfektion zu entdecken und zu beschimpfen.

Da stimmt was nicht.

Der Körperausdruck der Frau zeigt einen "eingezogenen Schwanz", will heißen, sie zieht ihr Gesäß ein, ein Zeichen von Problemen in der erotischen Kraft. Die Speisekammer voller Diätprogramm-Spezialnahrungsmittel. Hier hungert sich jemand runter, um den Wettlauf um die Perfektion der Wohnung nicht zu verlieren.

Ich werde hier Urlaubsvertretung machen - die Frau Schäufele wird, laut Anruf von gestern, nun doch nicht ins Allgäu ziehen, nimmt aber meinen Sondereinsatz als Gelegenheit für ihren Jahresurlaub.

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